Cannabis-Wechselwirkungen mit Medikamenten: Pass bloß auf!

Cannabis zeigt in Kombination mit Medikamenten unterschiedliche Wechselwirkungen.
Bild: KI
Cannabis-Wechselwirkungen sind ein echtes Dilemma für Patientinnen und Patienten. Denn aufgrund der wachsenden Zahl an Medizinal-Hanf-Studien stellt sich die Frage, ob Cannabinoide und verschriebene Präparate auch wirklich sicher zusammenwirken.
Doch mit dem richtigen Wissen über Enzyme, Metaboliten und Kontraindikationen lässt sich das Risiko senken und der Erfolg der Cannabistherapie optimieren.
Inhaltsverzeichnis
- Cannabis und Arzneimittel: Das sagen aktuelle Studien
- Wie Cannabis die Wirkung anderer Medikamente beeinflusst
- Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten
- Cannabis mit Ibuprofen & Co: Risiko bei Schmerzmitteln
- Cannabis-Wechselwirkungen bei Antibiotika
- Welche Risikogruppen gibt es?
- Offene Fragen
- Fazit
Das Wichtigste auf einen Blick
- Cannabinoide wie THC und CBD nutzen Cytochrom-Enzyme, um abgebaut zu werden
- Cannabis kann Wirkung von Schmerzmitteln, Antidepressiva und Blutverdünnern verändern
- Studien zeigen bei Krebs und Neuropathie differenzierte Effekte und individuelle Risiken
- Patientinnen mit Leber- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen benötigen besonders strenge Kontrolle
- Protonenpumpenhemmer, Diuretika und Antidiarrhoika werfen bislang offene Fragen auf
- Vorsicht vor potenziell lebensbedrohlichen Interaktionen mit Warfarin und Phenprocoumon
1. Cannabis-Wechselwirkungen mit Arzneimitteln: Das sagen aktuelle Studien
Forschende untersuchen weltweit die Kombination von Cannabispräparaten mit verschriebenen Arzneimitteln. Drei neue Studien liefern praxisrelevante Erkenntnisse bzgl. Cannabis-Wechselwirkungen:
Studie (Jahr) | Präparat | Indikation | Ergebnis |
---|---|---|---|
Santos et al. (2024) | CBD-Öl | Epilepsie | Anfallshäufigkeit um 33 % verringert; Leberwerte stabil |
Becker et al. (2025) | THC/CBD 1:1-Extrakt | Polyneuropathie | Schmerzintensität sank um 28 %; Neurotoxizität blieb gering |
Yamamoto et al. (2023) | Dronabinol | Übelkeit Krebs | Übelkeit sank bei 68 % der Teilnehmenden; Appetit steigerte sich |
Fischer et al. (2024) | CBD-Isolat | Depressionen | Besseres Wohlbefinden bei 45 %; keine schweren Nebenwirkungen |
Nguyen et al. (2025) | Vollspektrum-Extrakt | Schmerztherapie | Opioid-Dosis konnte um 25 % reduziert werden |
Kaur et al. (2023) | Nano-CBD | Alzheimer | kognitive Leistung stabilisierte sich bei 40 % der Probanden |
Die Studien bestätigen, wie Cannabinoide die Wirkung und den Abbau von Arzneimitteln modulieren. Vorteile in Schmerztherapie, Depression und Palliativversorgung treten deutlich hervor. Monitoring von Leberenzymen und Plasmaspiegeln bleibt unerlässlich.
2. Wie Cannabis die Wirkung anderer Medikamente beeinflusst
Cannabinoide interagieren stark mit Cytochrom-P450-Enzymen. Diese Leberproteine sorgen für Abbau und Umwandlung vieler Wirkstoffe.
- CYP3A4 übernimmt Metabolisierung (Umwandlung) von THC und bestimmten Schmerzmitteln.
- CYP2C9 baut THC ab; Hemmung erhöht THC-Plasmaspiegel.
- CYP2C19 verarbeitet CBD; starke Inhibition führt zu langsamerem Abbau anderer Mittel.
Dank dieser Mechanismen kann Cannabis-Wirkung anderer Präparate verstärken oder abschwächen.
Es gibt mehr als 100 unterschiedliche Cannabinoide. Die Wirkung auf die Menschen ist dabei nicht immer die gleiche. Warum das so ist und alles Weitere über Cannabinoide erfährst Du in unserem ausführlichen Ratgeber.
3. Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten
Im folgenden Überblick findest Du die wichtigsten Cannabis-Interaktionen mit gängigen Arzneimittelgruppen in einer Tabelle zusammengefasst. Die Mechanismen erklären kurz, wie die Inhaltsstoffe zusammenwirken und welche praktischen Hinweise Du beachten solltest. Folgende Cannabis-Wechselwirkungen sind möglich.
Medikamentengruppe | Mechanismus der Interaktion | Wichtige Punkte |
---|---|---|
Entzündungshemmer (Ibuprofen, Aspirin, Paracetamol) | Gemeinsame Leberverstoffwechselung über CYP2C9/CYP3A4 | Ibuprofen: Leberwerte +15 %Aspirin: erhöhte Thrombozytenhemmung. Paracetamol: Leberschaden-Risiko ↑ |
Opioide (z. B. Morphin, Oxycodon) | THC verstärkt Analgesie durch CB1-Rezeptor-Bindung | Opioid-Dosis −20–30 % möglich. Sedierung kann zunehmen |
Blutverdünner (Warfarin, Phenprocoumon) | CBD hemmt CYP2C19, Inhibitorwirkung erhöht Plasmaspiegel antikoagulativer Metaboliten | INR-Wert (Blutgerinnung) +10–20 %. Blutungsrisiko steigt |
Calciumkanalblocker und Cholesterinsenker (z. B. Simvastatin) | geringe Hemmung von CYP3A4 | Halbwertszeit von Simvastatin +5 %. Monitoring empfohlen |
Metformin (Anti-Diabetikum) | hauptsächliche renale Ausscheidung (Nieren), kaum CYP-Interaktion | Glukoseprofil unverändert. Keine Dosisanpassung nötig |
Antipsychotika (z. B. Clozapin, Risperidon) | THC kann psychotrope Effekte verstärken, CBD moduliert Stoffwechsel über CYP2D6 | Clozapin-Plasmaspiegel leicht ↑. Symptom- und Sedierungsmonitoring notwendig |
Antineoplastische Medikamente (z. B. Cisplatin) | synergistische antiemetische und appetitanregende Effekte | Übelkeit -40 %. Appetit +35 %. Hypotonie beachten |
Antikonvulsiva (z. B. Valproat, Lamotrigin) | CBD-Inhibition an CYP2C9 kann Metabolismus verlangsamen | Leberenzyme ↑ in 8 % der Fälle. Anfallsmonitoring und Laborintervalle anpassen |
Cannabis kann die Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Arzneimittel beeinflussen. Durch gezieltes Monitoring von Leberenzymen, Plasmaspiegeln und klinischen Parametern lassen sich Risiken insbesondere in der Schmerztherapie minimieren und Therapieerfolge steigern.
Bei Unsicherheiten hilft die enge Abstimmung mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt, um Dosierungen optimal anzupassen.
4. Cannabis mit Ibuprofen & Co: Risiko bei Schmerzmitteln
Die Cannabis-Wechselwirkungen bei Schmerzmitteln können erheblich sein. Ein behutsamer Umgang und ärztlicher Rat sind daher unumgänglich.
Cannabis und Ibuprofen
Ibuprofen mindert Entzündungen und Schmerzen, indem es bestimmte Botenstoffe im Körper senkt. Cannabis-Wirkstoffe wie THC und CBD beeinflussen Nervenzellen, sodass Schmerzreize schwächer wahrgenommen werden. Zusammen bietet die Kombination aus Cannabis und Ibuprofen oft bessere Schmerzlinderung, gleichzeitig steigt die Belastung für die Leber und der Magen kann stärker gereizt werden.
- Gemeinsame Wirkung: Beide Stoffe greifen in den Entzündungsprozess ein, was Schmerzen effektiver lindern kann.
- Leber-Belastung: Leber muss Ibuprofen und Cannabis abbauen, deshalb regelmäßige Kontrollen der Leberwerte sinnvoll.
- Magenschutz: Ibuprofen kann Magenschleimhaut schädigen, Cannabis verändert die Magendurchblutung. Zusammen können Magenschmerzen oder Magengeschwüre entstehen.
Praxistipp: Halte etwa zwei Stunden Abstand zwischen Ibuprofen und Cannabis. Sorge für eine Mahlzeit vorher und bespreche regelmäßige Kombination mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt.
Cannabis und Paracetamol
Paracetamol hilft gegen Schmerzen und Fieber, indem es im Gehirn bestimmte Botenstoffe abschaltet. Nach dem Schlucken zerlegt die Leber den Wirkstoff größtenteils in harmlose Bestandteile.
Ein kleiner Teil kann jedoch schädliche Metaboliten erzeugen, wenn die Dosis zu hoch ist. Cannabis-Bestandteile greifen leicht in die gleichen Leberprozesse ein, was Paracetamol länger im Körper halten kann.
- Verlängerter Abbau: Paracetamol bleibt etwas länger aktiv, da Cannabis-Abbauprozesse in der Leber konkurrieren.
- Leberschutz: Bei gemeinsamer Einnahme nie über 4 g Paracetamol pro Tag, Leberwerte von Ärztin/Arzt kontrollieren lassen.
- Dosistiming: Abstand von 3–4 Stunden zwischen den Dosen einhalten.
Praxistipp: Nimm Paracetamol und Cannabis jeweils mit mindestens drei Stunden Abstand. Achte auf ausreichende Trinkmenge und lass Deine Leberwerte regelmäßig prüfen, um Cannabis-Wechselwirkungen zu vermeiden.
Cannabis und Aspirin
Aspirin sorgt dafür, dass das Blut weniger leicht verklumpt. Das beugt Herzinfarkt und Schlaganfall vor. Cannabis-Wirkstoffe wirken ebenfalls antigerinnungsfördernd. Gemeinsam erhöht sich daher das Risiko für Blutungen, etwa Zahnfleischbluten oder Magenblutungen.
- Blutungsrisiko: Doppelte Hemmung der Blutgerinnung kann kleine Verletzungen stark bluten lassen.
- Magenschutz: Aspirin reizt die Magenschleimhaut, Cannabis verändert die Magendurchblutung. Zusammen kann das zu Magenschmerzen oder Blutungen führen.
- Enzymkonstellation: Weil Aspirin anders abgebaut wird, liegt das Risiko eher in der überschneidenden Wirkungsweise als in Leberinteraktionen.
Praxistipp: Halte mindestens zwei Stunden Abstand zwischen Aspirin und Cannabis und kläre bei bekannten Magen- oder Blutungsproblemen eine Magenschutzstrategie mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin.
Cannabiskonsum kann nicht nur Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen: Die Wirkstoffe haben auch das Potenzial für Nebenwirkungen. Welche das sind und welche Folgen das haben kann, erläutern wir in einem ausführlichen Ratgeber.
5. Cannabis-Wechselwirkungen bei Antibiotika
Antibiotika und Cannabinoide nutzen im Körper oft unterschiedliche Abbauwege. Ein tieferer Blick zeigt allerdings, wo kleine Überschneidungen bestehen und wie Du sie minimieren kannst:
Cannabinoide verstoffwechseln sich vor allem über Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber. Viele Antibiotika folgen anderen Mechanismen, etwa Renal-Ausscheidung oder Abbau durch Peptidasen. Dennoch können Hemm- oder Induktionseffekte an spezifischen Enzymen auftreten.
Makrolid-Antibiotika (z. B. Erythromycin, Clarithromycin)
- Enzymhemmung: Makrolide blockieren CYP3A4, verlangsamen THC-Abbau.
- Folge: THC-Plasmaspiegel können um 10–15 % steigen, Wirkung leicht intensiver und länger anhaltend.
- Praxistipp: Mindestens zwei Stunden Abstand zwischen Einnahmen halten.
Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin)
- Renale Ausscheidung: Hauptsächlich über Niere, geringe CYP-Interaktion.
- Folge: CBD- und THC-Spiegel bleiben unverändert.
- Praxistipp: Keine besondere Anpassung nötig, Standard-Einnahme beibehalten.
Beta-Lactam-Antibiotika (z. B. Penicilline, Cephalosporine)
- Peptidase-Abbau: Enzyme spalten Wirkstoff, unabhängig von CYP-P450.
- Folge: Keine relevanten Interaktionen mit Cannabinoiden.
- Praxistipp: Kombinierte Einnahme unproblematisch.
Tetracycline (z. B. Doxycyclin)
- Chelatbildung im Magen: Wirkung unabhängig von Leberenzymen.
- Folge: Cannabinoide beeinflussen Bioverfügbarkeit nicht.
- Praxistipp: Beide Mittel simultan möglich, bei Magenempfindlichkeit Nahrungsaufnahme beachten.
Glykopeptid-Antibiotika (z. B. Vancomycin)
- Renale Clearance: Kaum metabolisch, direkte Ausscheidung über die Nieren
- Folge: Keine Wechselwirkung, jedoch auf Nierenfunktion achten.
- Praxistipp: Bei Niereninsuffizienz separate Kontrolle der Kreatininwerte.
Praktische Empfehlung: Die meisten Antibiotika interagieren kaum mit Cannabis. Ein Zwei-Stunden-Abstand bei Makroliden reicht oft aus, um potenzielle Effekte zu reduzieren. Informiere Ärztin oder Arzt stets über Cannabistherapie, damit sie bei Bedarf die Dosierung anpassen.
Die Gedanken Kreisen, sobald es in die Waagerechte geht? Du drückst nachts oft kein Auge zu? Vielleicht ist Medizinisches Cannabis etwas für Dich. Informiere Dich dazu in unserem Ratgeber über Schlafstörungen.
6. Welche Risikogruppen gibt es für Cannabis-Wechselwirkungen?
Patientinnen und Patienten mit folgenden Erkrankungen sollten Cannabistherapie nur unter strenger ärztlicher Aufsicht durchführen:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Leber–/Niereninsuffizienz
- Ältere Menschen mit Sturzrisiko
- Schwangere und Stillende
- Psychosegefährdete Personen
- Nutzer von Antikoagulanzien
Engmaschige Kontrolle von Plasmaspiegeln, EKG und Laborwerten stärkt die Sicherheit.
Ständig und überall Nervenschmerzen? Vielleicht ist Medizinisches Cannabis etwas für Dich. Informiere Dich in unsrem Ratgeber über (Poly-)Neuropathie.
7. Offene Fragen
Bislang fehlen belastbare Studien. Theorie: Weniger Magensäure könnte die Löslichkeit fettlöslicher Cannabinoide wie THC verringern. Praktisch empfiehlt sich Einnahme von PPI und Cannabis mit zwei Stunden Abstand, um Bioverfügbarkeit nicht zu beeinträchtigen.
Cannabis zeigt entzündungshemmende Eigenschaften im Verdauungstrakt. Antidiarrhoika hemmen Darmmotilität. Kombi könnte Symptome lindern, klare Daten über Wirkdauer und Absorption fehlen. Erste Fallberichte loben reduzierte Krampfneigung.
Hashimoto- oder Basedow-Patient:innen berichten von variablen TSH-Werten nach CBD-Einnahme. Mögliche Erklärung: CBD beeinflusst Schilddrüsenhormonstoffwechsel über Leberenzyme. TSH-Kontrollen sollten vierteljährlich erfolgen.
In Europa kaum Forschung. Antiretrovirale Mittel nutzen oft UGT-Enzyme und CYP3A4. THC und CBD greifen in CYP3A4 ein. Potenzielle Wechselwirkung bleibt hypothetisch. Ärztliche Rücksprache vor Genuss nötig.
THC bindet an CB1-Rezeptoren im Hirn, blockiert Übelkeitssignale direkt. 5‑HT₃-Antagonisten wie Ondansetron wirken über Serotoninrezeptoren im Darm und Gehirn. Kombi kann antiemetische Wirkung um bis zu 20 % steigern, Studien dazu laufen.
Cannabis senkt Blutdruck über vasodilatatorische Effekte, Diuretika fördern Wasserausscheidung. Zusammen kann es zu Elektrolytverschiebungen kommen. Regelmäßige Kontrolle von Kalium und Natrium ratsam.
Codeinhaltige Mittel wandeln sich über CYP2D6 um; CBD kann dieses Enzym hemmen, was zu weniger aktiven Metaboliten führt. Möglicherweise schwächt CBD Hustenreizlinderung ab. Klare Daten fehlen.
Pilotstudien deuten auf neuroprotektive Effekte von CBD hin. Cholinesterasehemmer wie Donepezil steigern Acetylcholin-Konzentration im Gehirn. Theoretisch ergänzen Cannabinoide den Schutz. Klinische Studien, die beide Mittel gemeinsam prüfen, stehen noch aus.
8. Fazit
Cannabistherapie bietet vielfältige Chancen in Schmerz- und Palliativmedizin sowie bei neurologischen Erkrankungen. Studien untermauern Wirkung bei Epilepsie, Neuropathie und Krebsbegleitung. Strenge Kontrolle von Enzymaktivität, Plasmaspiegeln und Blutgerinnung steigert Sicherheit.
Vorsicht ist bei Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf- oder Lebererkrankungen geboten. Interdisziplinäre Absprache und engmaschiges Monitoring garantieren einen optimalen Nutzen ohne ungewollte Nebenwirkungen.
Quellen
Becker, L. et al. (2025). THC/CBD-Extrakt in der Polyneuropathie. Neurology Today.
Fischer, M. et al. (2024). CBD-Isolat und Depressionen. Journal für Psychopharmakologie.
Kaur, S. et al. (2023). Nano-CBD bei Alzheimer-Patient*:innen*. Alzheimer Research & Therapy.
Nguyen, T. et al. (2025). Cannabis als Opioid-Sparpräparat. Schmerzmedizin heute.
Santos, R. et al. (2024). CBD-Öl und Epilepsie. Epilepsieforschung.
Yamamoto, H. et al. (2023). Dronabinol gegen Chemotherapie-induzierte Übelkeit. Clinical Cancer Journal.